Über meinem Schreibtisch hängt ein Poster dieses Webcomics, in meinem Regalen liegen diverse Zombiefilme und -serien, ich lese mit großem Vergnügen Webseiten über Sicherheitsvorkehrungen für den Fall einer Zombieapokalypse und habe am PC schon tausende Zombies verbrannt, erschossen, zertreten, kurz massakriert. Ich gestehe: Ich finde Zombies gut, ich bin ein Fan dieser Untoten. Und ich bin damit nicht allein, Zombies sind ein Nerd-Phänomen.
Nun kam dieser Tage die Frage auf, was denn an Zombies so besonders sei. Zombies seien schließlich ziemlich ekelhaft und außerdem nicht einmal besonders leistungsfähige Monster.
Also gut. Selbstverständlich sind Zombies ekelhaft. Anders als die neuerdings in der Jugendliteratur inflationär auftretenden und offenbar animalische Sexualität verkörpernden Vampire werben Zombies quasi damit ekelhaft zu sein. Und selbstverständlich gibt es auch „bessere“, tödlichere Monster, während Zombies oft nur durch ihre schiere Anzahl gefährlich sind. Ekelhaft und vergleichsweise schwach, soweit so klar. Den Erfolg als Lieblings-Antagonisten der populären Nerdkultur müssen Zombies also anderen Eigenschaften zu verdanken haben.
Zunächst einmal ist ein Zombie-Outbreak immer auch ein Endzeitszenario. Endzeitszenarios üben seit jeher eine große Anziehung auf Menschen aus. Die Zombie-Apokalype hat dabei den erzählerischen Vorteil, dem Einzelnen eine Perspektive, eine Chance zu Überleben, zu lassen. Eine gute Zombie-Apokalypse ist somit erst der Beginn der Geschichte des Protagonisten, denn sie richtet unsere bekannte Welt als lebensgefährlichen Abenteuerpark an.
Zwar sind auch Zombies nur ein Fantasieprodukt und die Zombie-Apokalypse zunächst einmal ein völlig absurdes und undenkbares Szenario, aber das ist nur die halbe Wahrheit. Ein Virus, der alle höheren Hirnfunktionen abschaltet und aggressiv triebgesteuerte, gleichsam tollwütige, Zombies hinterlässt, ist zumindest denkbar, ist realistischer und greifbarer, als eine Invasion übermächtiger Aliens oder einer Dämonenarmee, die aus der Hölle stürmt, um uns zu vernichten. Das mag auf den ersten Blick nicht besonders wichtig erscheinen, aber Nerds lieben Konzepte, die sich zwar außerhalb unseres derzeitigen Wissensstandes befinden, aber grundsätzlich möglich erscheinen. In diesem Zusammenhang sei auf die schier unendlichen Diskussionen um die Funktionsweise des Beamens und des Warpantriebs verwiesen.
Darüber hinaus sind Zombies natürlich eine wundervolle Metapher für die gedankenlose und potentiell gefährliche Masse von Durchschnittsmenschen, der die Nerds traditionell misstrauisch gegenüberstehen. Beim Zombie wird nun das tumbe Innere nach außen gekehrt. Zynisch gesagt sind Zombies also genauso antriebslos und fremdgesteuert, wie die Menschen, die sie früher waren und für den flüchtigen Betrachter noch nicht einmal sofort unterscheidbar. Ein schönes Beispiel für diese Interpretation findet sich in „Shaun of the Dead„, wenn die Hauptfigur Shaun die omnipräsenten Untoten auf ihrem morgendlichen Weg zum Kiosk zunächst nicht einmal bemerkt, weil diese sich zu natürlich in das Bild einfügen.
Dazu ein Zitat: „Bei Romero ist der Zombie endgültig zu einer Metapher geworden für das moderne Leben im Leerlauf. Nicht die ums Überleben kämpfenden Menschen sind die Norm, sondern ihre untoten, apathischen Gegner, die zwischen Vorortsiedlung und Einkaufszentrum umhertorkeln. Das kapitalistische Konsumsystem ist jene Hölle des Gleichen, aus der nur der Untote selbst sich befreien kann.“(1)
Daraus ergibt sich ein wundervoll einfaches Schwarz-Weiß-Szenario. Gut und böse, lebendig und untot, keine Graustufen. Auf der einen Seite die Zombies. Aggressiv, gefährlich, ekelhaft – bar jeder Menschlichkeit und ohne jede Chance auf Heilung. Auf der anderen Seite die Überlebenden. Hoffnungslos in der Unterzahl, gehetzt und in einer Welt, deren Regeln sich auf furchtbare Weise geändert haben. Zombies haben in diesem Szenario nicht nur keine Gnade zu erwarten, im Gegenteil ist es sogar moralisch „richtig“ ihre Qual, den Untod, zu beenden.
Gewalt gegen Zombies ist somit generell gerechtfertigt, ja sogar überlebensnotwendig. Filmisch stellt dies einen idealen Nährboden für besonders coole Sprüche, einfallsreiche Todesarten und eine besonders intensive Gewaltdarstellung(2) dar. Zombiefilme bringen also oft Protagonisten mit hoher Coolness hervor.
Schaut man sich die Protagonisten vieler Zombiefilme nun etwas genauer an, findet man ein weiteres interessantes Detail: Einzelne Zombies werden fast immer als körperlich stark, aber vergleichsweise langsam und natürlich dumm beschrieben. Zombies sind keine nahezu allmächtigen Außerirdischen (Alien, Predator, etc.), es ist kein übermenschlicher Held nötig, um einen Zombie zu töten. Auch der pickelige Nerd in seinem abgedunkelten Raum, die einfallsreiche Nonne(3) und der sozial gehemmte „Jugend forscht“-Gewinner taugen im Falle einer Zombieinvasion zum Helden. Sie brauchen dazu vor allem ihren Kopf und erst sekundär Baseballschläger oder Schrotflinte.
Zombies sind also beliebte Antagonisten, weil sie einerseits der Gesellschaft ein Spiegelbild vorhalten und andererseits zwar gefährlich, aber vom Durchschnittsbürger zu besiegen sind. Durch die Entmenschlichung bieten sie uns die Chance dabei guten Gewissens cool zu wirken und über ihren nunmehr hoffentlich endgültigen Tod zu lachen. Alles Dinge, die der Durchschnittsnerd gar nicht so oft erlebt.
Ich für meinen Teil gehe jetzt ein Zombie-Blutbad anrichten. Left Left 4 Dead 2 ruft…
(1) Wenn in der Hölle kein Platz mehr ist – Die ewige Wiederkehr der Untoten als politische Metapher – Marcus Stiglegger
(2) Ausschnitt „Braindead“ auf Youtube – blood/gore
(3) Ausschnitt „Zombieland“ auf Youtube
Sehr schoen geschreiben.
Sehr schön geschrieben. Ich bin ja selbst auch ein grosser Zombiefan. In der Gesellschaft werden Liebhaber von Zombiefilmen immer schnell in die Schublade „der ist ja nur gewaltgeil“ geschoben. Bei mir geht es in Zombiefilmen aber nicht um das Blut und die Eingeweide, sondern um das Endzeitscenario. Der Gedanke an das Zusammenbrechen der Zivilisation und eine stetige Bedrohung vor der man sich in acht nehmen muss.
ganz gute erklärung, besonders das mit den nerds und der gesellschaft.
dass die realistischer sein sollen als aliens oder demonen seh ich nicht so. auch das mit dem schwarz-weiß. ich finde ja gerade zombies sind in jeglicher hinsicht irgendwie grau. ansonsten aber gut erklärt.
und endzeitsachen sind irgendwie auch nicht immer so toll. wir leben ja quasi vielleicht auch in fast einer. mir reicht mein durchschnittsmenschenzombiedasein auch so.
nää ich brauch keine zombies und bin auch KEIN fan von zombiefilmen (hm ok hab vergessen, einen film besitze ich).
ihr werdet bestimmt nicht mehr so begeistert sein wenn wirklich mal ne zombiehorde alles vernichtet und man merkt..huch, die welt geht jetzt wirklich unter, ich hatte noch sooviel vor.
so!