Was ich schon lange mal sagen wollte…

Oftmals schreibe ich ein paar Zeilen für einen Blogpost und nehme mir vor, die Idee später zu vertiefen und in bessere Worte zu fassen. Natürlich passiert das nicht immer und die Fragmente liegen dann für Jahre als Entwurf im Blog, bis ich sie als überholt einfach lösche. Nun habe ich beschlossen, diese Notizen völlig unbearbeitet und lediglich mit einer zeitlichen Einordnung und dem geplanten Titel in den Blog zu werfen. Das ist zumindest in dieser Folge ziemlich roh und schwer zu lesen, enthält aber einige Gedanken, die mir auch heute noch wichtig sind. Also schaut genau, hin, irgendwo in den zu langen Satzmonstern steckt eventuell Weisheit. Glaube ich. 😉

Definitely Maybe – 2012-09

Noch vor wenigen Jahren galt der exzessive Gebrauch des Ausweichenden „das kommt darauf an“ als sicheres Zeichen mit einem Juristen zu sprechen. Inzwischen scheint es mir jedoch so, als ob die Generation der 20-35jährigen eine Art Wettkampf im Nichtfestlegen bestreitet.
Wir wählen schon unsere Ausbildung nicht nach unseren Neigungen, sondern danach, was professionelle Kaffeesatzleser und die Glaskugelbesitzer als besonders lukrativ vorhersagen. Später irrlichtern wir dann ohne ein konkretes Ziel durch Jobs und Beziehungen, ziehen bei erster Gelegenheit zum vermeintlich Nächstbesseren weiter und hinterlassen lediglich die leeren Worthülsen, die immer schon gelogen waren.

Während mangelnde Identifikation mit Aufgabe und Unternehmen im Berufsleben als logische Folge der Hire-and-Fire-Politik so manches Arbeitgebers noch nachvollziehbar erscheinen mag, ist die private Verantwortungsverweigerung erschreckend.

– wir haben so viel Angst etwas Besseres zu verpassen, wenn wir uns festlegen
– wir haben das Gefühl, mehr zu verdienen, als den Spatz in unserer Hand, Normalität ist uns nicht genug. ENTITLEMENT! („Have you the HD TV you DESERVE?“)
– wir haben Angst vor Krankheiten und der Verurteilung durch unser Umfeld, aber rauchen zum Beispiel trotzdem weiter. Wir wollen alles gleichzeitig und sofort.
– wir wollen Beziehungen, uns aber niemandem anpassen müssen
– wir klagen permanent darüber, dass es nicht vorwärts geht und vergessen dabei uns selbst zu bewegen.
– wir leugnen die Verantwortung für unser Leben und lassen uns treiben

Und wenn wir endlich verstanden haben, dass wir diesen Wettlauf mit der Zeit verlieren, dann ist es schon zu spät und wir stehen mit leeren Händen da.

VERBINDLICHKEIT, Festlegung bedingt Einsatz, Verantwortung und Mut. Leben ist Kompromiss, lieben ist Kompromiss. Und nein, Kompromiss heißt nicht, sich verbiegen zu müssen, oder sich gar zu verraten.

Prioritäten setzen, Prioritäten verfolgen. Was will ich im Leben erreichen, mit welchen anderen Zielen kollidiert das. -> 60h Woche ist mit Familie nicht vereinbar -> http://www.alternet.org/visions/154518/why_we_have_to_go_back_to_a_40-hour_work_week_to_keep_our_sanity/?page=1

Er ist nur einer von Vielen, mit denen Wenige spielen – 2013-02-19

In den letzten Tagen ist der Pferdefleischskandal omnipräsent. Während die Medien sich in ständig neuen Horrormeldungen gegenseitig überbieten und die sozialen Netzwerke das Thema schwarzhumorig aufnehmen, nutzen einige Bessermenschen* in Blogs und Kommentaren die Möglichkeit, sich in Selbstgerechtigkeit badend darauf hinzuweisen, dass man es ja schon immer gesagt habe und außerdem von oben herab „den Verbraucher“ zum eigentlich Schuldigen umzudeuten.
Nicht Gier und Skrupellosigkeit derjenigen, die das Pferdefleisch falsch deklarierten, um mehr Geld zu verdienen, sollen also an der Misere Schuld sein, sondern die dummen Verbraucher, die einfach kaufen, was man ihnen anbietet.

Das ist nicht nur zynisch, sondern auch in der Grundannahme falsch. Es ist nicht so, dass dieser ominöse Verbraucher unter dem Motto „Hauptsache es ist Fleisch drin“ möglichst günstig kauft und noch so naiv ist, an besonders gute Qualität zu glauben. Es wird so viel Fleisch abgenommen, weil es so billig angeboten wird. Es wäre das erste Mal in der freien Marktwirtschaft, wenn es anders herum wäre und eine besonders hohe Nachfrage zu niedrigen Preisen führen würde.
Sicherlich, Fleisch und Wurst gehören zu vielen typisch deutschen Gerichten und es ist eben auch richtig, dass es in Deutschland einen hohe Nachfrage nach günstigen Lebensmitteln gibt. Was dabei jedoch hinterfragt werden muss, ist, woher dieser Bedarf nach billigen und billigsten Lebensmitteln kommt. Sind wir wirklich ein Volk von Sparfüchsen, die Qualität generell nicht erkennen können oder honorieren wollen?

Vielleicht liegt es eher daran, dass in unserem Land zwölf Millionen Menschen im Niedriglohnsektor arbeiten oder ALG beziehen.
Mehr als 1.5 Millionen Menschen beziehen als sogenannte Aufstocker ALG2. Diese Menschen schneiden uns die Haare, wienern S-Bahnen, lassen sich in Callcentern von uns anschreien, verkaufen uns Blumen oder bringen uns die Pizza und müssen trotzdem staatliche Unterstützung erhalten, weil ihr Lohn nicht ausreicht, um ihren Grundbedarf zu decken.
Um es einmal mit Volker Pispers Worten zu sagen: „Zwölf Millionen Menschen müssen auf Hartz-IV-Niveau leben, acht Millionen davon arbeiten auf Vollzeit. Frau Merkel, wir haben kein Jobwunder. Das Wunder ist, dass zwölf Millionen Menschen in den Arsch gekniffen sind und trotzdem die Fresse halten.“

Das mittlere Nettoeinkommen (nicht das vergleichsweise nichtssagende Durchschnittseinkommen!) ist zwischen 2000 und 2010 trotz einer jährlich Inflation von 1-2% gefallen.

– Wenn das Geschäftsmodell eines Arbeitgebers mit neun, zehn oder elf Euro Bruttolohn pro Stunde nicht mehr funktioniert, dann stimmt damit etwas viel grundlegenderes nicht.
– Wer Geld hat, wählt bewusster aus.

Wer also etwas ändern möchte, wer also dafür Sorge tragen möchte, dass nur hochwertige Lebensmittel in den Regalen der Supermärkte stehen, der sollte sich zuerst dafür einsetzen, dass jeder Mensch die tatsächliche finanzielle Möglichkeiten hat, zwischen billigst produziertem Abfall und Lebensmitteln, die diesen Namen verdienen, zu wählen. Dazu gehört, dass jede Art von Arbeit ein menschenwürdiges Leben ermöglichen muss.
Sprecht mit Eure Bundes- und Landtagsabgeordneten und den Kandidaten anderer Parteien für diese Ämter! Fragt, was sie und ihre Partei zu Themen wie einer solidarischen Bürgerversicherung, einem existenzsichernden Mindestlohn, Steuergerechtigkeit und dem bedingungslosen Grundeinkommen zu sagen haben!
Erinnert sie daran, dass wir alle die Folgen zu spüren bekommen, wenn Einzelne die soziale Marktwirtschaft pervertieren und mittels subventionierter Beschäftigung Arbeitnehmer und den Staat ausbeuten.

*Menschen, die sich und ihre Lebensart für besser und überlegen halten und dies triefend vor Herablassung immer wieder kundtun. Ich weigere mich „Gutmensch“ als Beschimpfung zu benutzen, wie es vor allem die politische Rechte so gern tut.

So, das fühlt sich doch viel besser an, als einfach Beiträge zu löschen. Und jetzt seid Ihr dran, was denkt Ihr über die Notizen? Valide Punkte oder hätte man sie für immer verstauben lassen sollen?

8 Gedanken zu „Was ich schon lange mal sagen wollte…

  1. Anonymous

    … danke für den ersten Teil. Beim zweiten kann man auch noch eine weitere Sichtweise ins Spiel bringen. Aber dies wäre jetzt zu lang, vielleicht beim nächsten Kaffee-/Teestündchen? 🙂

    DAnke für den Einblick in Deine Gedankenwelt!

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  2. Anonymous

    ich hätte dazu auch vieles zu sagen! das jetzt-alles-sofort-prinzip SCHEINT daher zu rühren, dass man durch die medien omnipräsent ist und alles jetzt und sofort zur verfügung haben könnte.

    dass es etwas zu ändern gilt, stimme ich zu. aber nicht in der form über abgeordnete. nur direkt und selbst, nur so entwickelt sich letztendlich das WAHRE.

    das mit dem nicht-festlegen-wollen ist m.m.n. mehr ein nicht können, eben WEIL zuviele möglichkeiten da sind.

    „Während mangelnde Identifikation mit Aufgabe und Unternehmen im Berufsleben als logische Folge der Hire-and-Fire-Politik so manches Arbeitgebers noch nachvollziehbar erscheinen mag, ist die private Verantwortungsverweigerung erschreckend.“
    –> vielleicht rührt ja die arbeitgeberpolitik auch aus den kleineren bausteinen, die eben im privatleben gesetzt werden.

    lass uns alle das doch mal irgendwie überlegen und zusammentragen (zb in einem forum) und dann konkret eben veränderungen PLANEN.
    und erst mal die echten ursachen klären. ich glaube nicht, dass dazu nur allein sozialwissenschaftler in der lage sind. aber wenn doch, wäre es interessant hier mal was von jemandem zu hören.

    deine „bessermenschen“ erscheinen zumindest eher in der minderheit. und nur irgendwelche kommentare (…*g*) sollte man nicht über bewerten, da sie doch ohne konsequenzen zu fürchten gesagt werden.

    natürlich gibt es vollidioten und arschlöcher aber die westliche welt ist schon lange langsam aber sicher im umdenken, dass das materielle alleine nicht das high end ziel der menschen ist. schon gar nicht von den leuten mit denen man sich doch normalerweise (freiwillig) umgibt.

    es gilt wirklich die rahmen die durch die politik derzeit bzw wirtschaft geschaffen wurden zu SPRENGEN und zur not menschen zu ihrem glück zu zwingen. das ist natürlich eine grat-wanderung zwischen freiheit und weniger freiheit. aber umso wichtiger ist es die ursachen und die wahren bedürfnisse zu ergründen und neue motivationen zu schaffen!!!

    das kannst du als weitere worthülse auffassen aber durch deinen text ist innendrin ein kleines feuer also energie die brennt und was verändern könnte. man braucht nur noch ein ziel und mehr menschen und echte pläne. du kannst gern (erstmal ;))) den leitwolf machen.

    bis bald

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  3. Anonymous

    noch etwas fällt mir ein.
    ich denke, es ist nicht so, dass die meisten sich treiben lassen. im gegenteil. sie haben doch eher angst davor und planen alles damit es nach ihrem ziel abläuft und möglichst nicht vom weg abweicht.
    aber wahres leben beginnt doch beim unvorhersehbaren. damit haben wir doch eher die probleme. alles muss plan- und abrufbar sein.

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  4. Steinbeißer

    Doch mal wieder reingesprungen und durchaus interessantes gefunden.

    Beide Fragmente finde ich ganz gut. Aber bei beiden würde ich Deine Komplettfassung sehen wollen.

    Mal meine Gedanken auf die Schnelle.

    Bleiben wir mal beim Teil 1. Entitlement wird gerade in größeren Unternehmen immer wichtiger (leider). Was da täglich rumläuft und den vermeintlich wichtigen VP raushängen lässt….
    Auf der anderen Seite sind wir doch zu einer Spaßgesellschaft geworden. Wir wollen nicht mehr Standard arbeiten (wieviel auch immer das für jeden sein mag). Sondern je nachdem wie es gerade passt mal was schaffen, dann eine Runde Sport oder die EInkäufe erledigen. Freunde treffen oder um die Familie kümmern und dann wieder arbeiten. Das führt in Teilen genau zu dem Wunsch/Ziel der Flexibilität/Ungenauigkeit => nichts festlegen, man könnte ja was verpassen.

    Weiteres schönes Beispiel kennen und sehen die meisten ja auch im Freundeskreis. Die Anzahl der Singles explodiert gefühlt. Fragt man nach, kommen die erwähnten juristischen Spitzfindigkeiten. Allein hilft das am Ende nicht weiter. Eher bringt uns das zu Deinem 2. Fragment.

    Denn der Markt freut sich doch über den „neuen“ Singlemarkt und generiert die „besten,….(setz was ein)“ Produkte für EInzelpersonen. Parallel hauen sich die Leute um die alten geringen Wohnungen. Die Spirale kann drehen – nach oben und unten. Denn gleichzeitig ist uns Qualtität nicht mehr wichtig, denn „GEIZ ist GEIL“ bzw. „Hauptsache BILLIG“. Sowas bleibt haften, da einfach.

    In der Folge entwickelt sich doch das genau dorthin. Wenn WIR nicht mehr auf das Was sondern nur auf das Wieviel schauen. Warum soll dann das Angebot nicht auch in die Richtung gehen (Hallo Pferde oder Gammelfleisch)….

    Haben wir es selbst in der Hand? Der Soziologe wird hier immer ja sagen. Ich bin da etwas gespalten.

    Einer alleine als Leitwolf wie von über mir (anonymus) wird da bei weitem nicht helfen. Auch wenn eine dicke Paladeuse zitierte, daß Diktatur gut ist. Das funzt nur in kleinen Gebieten. Und alle wirst Du nie überzeugt bekommen. Dafür sind nicht konform genug.

    Aber ab und an mal so wie hier etwas Salz in die offene Wunde kann helfen, um mal wieder drüber nachzudenken. Und sei es nur beim nächsten Einkauf vielleicht nicht das günstigste Angebot zu nehmen, sondern das was am besten für einen selbst ist. 😉

    Von daher am Ende ein well done Dicker.

    Falls ich hier etwas gesprungen bin, sorry. Aber da ich mich fest gebunden habe, stehe ich auch für die Folgen gerade (Tochter hat sich gemeldet) 😉

    Ach ich vermiß die guten alten Diskussionen in der Nacht…. *seufz*

    Der Zwerg hat übrigens Silvester frei und kommt an Leipzig vorbei.

    Der Zwerg

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    1. Riipa

      Schön von dem dicken Zwerg zu lesen! 🙂 Dies Diskussionen in der Nacht leben übrigens, neuerdings fahren wir dabei Panzer. 😉

      Ich poste mal ein aktuelles TS3 auf der Gildenseite, dort finden sich oft genug viele der alten Nasen.

      Ein Treffen in Leipzig klingt total hervorragend, um die Zeit herum ist auch Lucky in der Stadt und eventuell Xan. Dann diskutieren wir gern mal ausführlich.

      Antworten
      1. Steinbeißer

        Panzer fahren?

        Ach ne. das tue ich dem kleinen Zwerg nicht an. 😉
        Außerdem ist er doch Pazifist…..

        Lieber spiele ich mit der Katze bei Fidget. Den Chat versteht dann keiner merh 🙂

        Rest klingt gut. Aber da komme ich die Tage mal auf dem Handy durch.

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  5. Anonymous

    hm ich glaube trotzdem die gewollte spaßgesellschaft ist ein wenig vorbei.. mehr so die diffuse gesellschaft wie riipa es beschrieb.
    das immer billiger wollen, so denken mmn halt die die nunmal nicht anders können im denken oder eben einfach von ihrer finanziellen kraft aus, so merkt man doch heute umso mehr, dass billig oft leider wirklich keine qualität mehr hat und teuer heute auch nicht.

    ich finde diskussionen auch toll. echte am besten. aber der riipa soll man ein diskussionsforum aufmachen bzw aufwecken 😉
    ich suche so dringend ne stelle als aushilfsphilosoph und küchenpsychologe..

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